Der Blog der Akademie für Familiencoaching

Lesedauer: 6 Minuten

Darf ich meinen Teenager als Babysitter einspannen?

Die meisten Eltern stehen vor der Herausforderung, Beruf, Familie und Freizeit unter einen Hut zu bringen. Wenn ein weiteres Kind dazukommt, wird die Organisation noch komplexer. Da liegt es doch nahe, die älteren Kinder als Babysitter einzuspannen – oder? Doch ist das fair und sinnvoll?

In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, was man seinem Teenager an Verantwortung tatsächlich zumuten sollte, welche weiteren Themen eine entscheidende Rolle spielen und wie man gemeinsam einen guten Mittelweg findet.

Die Akademie für Familiencoaching und ihre Gründerin Kira Liebmann, gehen in diesem Blogbeitrag dem Thema auf den Grund.

Inhaltsverzeichnis

  • Spielt das Alter meines Teenagers eine Rolle?
  • Wie viel Verantwortung darf ich abgeben?
  • Was, wenn der Teenager Nein sagt?
  • Finanzielle Entlohnung: Pflicht oder Kür?
  • Grenzen wahren, um Rollenkonflikte zu vermeiden
  • Mit Wertschätzung die Motivation steigern
  • Fazit: Gemeinsam Lösungen finden

Spielt das Alter meines Teenagers eine Rolle?

„Mit 14 oder 15 Jahren sind Jugendliche durchaus in der Lage, kurzzeitig auf kleine Geschwister aufzupassen“, weiß Kira Liebmann – Familien-Expertin und Inhaberin der Akademie für Familiencoaching – aus vielen Beratungsgesprächen und aus eigener Erfahrung.

Eine Studie der Universität Michigan zeigt, dass das Alter eines Babysitters nicht so entscheidend für die Qualität der Betreuung ist wie seine Erfahrung und Reife. Bereits 14-Jährige können gute Betreuer sein, wenn sie behutsam an die Aufgabe herangeführt werden. (1)

Die Bedürfnisse des Teenagers im Blick behalten

Ein Teenager ist kein ausgebildeter Babysitter. Die Bedürfnisse des Teenagers sind wichtig und sollten weiterhin gesehen und berücksichtigt werden. Weggehen und Freunde treffen sind für die Entwicklung eines Teenagers sehr wichtig. Wenn das Babysitting zu viel Freizeit des Teenagers in Anspruch nimmt, verliert er/sie den Kontakt zur Freundesgruppe.

„Soziale Kontakte – also der Freundeskreis – sind für pubertierende Jugendliche immens wichtig!“, so Kira Liebmann, mit Verweis auf ihr Buch:

„Die besten Pubertät-Überlebens-Tipps für Eltern“.

Wie viel Verantwortung darf ich abgeben?

„Jugendliche sind nicht automatisch für jüngere Geschwister verantwortlich“, so Kira Liebmann. Stattdessen sollte man sich als Elternteil immer klar machen: „Ich habe die Verantwortung für meine Kinder und sonst niemand!“

Es ist empfehlenswert, den Teenager langsam an die Aufgabe heranzuführen und auf Anzeichen von Überforderung zu achten. Um gerade am Anfang eine Überforderung zu vermeiden, ist es sinnvoll, dass ein Elternteil in der Nähe bleibt, damit der Teenager jederzeit Unterstützung holen kann. Mit zunehmender Erfahrung kann die räumliche Distanz und die Zeitspanne der Betreuung dann ausgeweitet werden.

Merke: Ein Geschwister-Teenager ist kein Ersatz für eine professionelle Kinderbetreuung

Was, wenn der Teenager „Nein“ sagt?

Eine Studie der Universität Texas zeigt, dass über 70 % der Jugendlichen zwar hin und wieder auf Geschwister aufpassen, aber nur 3 % dies regelmäßig tun. Die meisten sind also durchaus bereit, ihren Beitrag zu leisten. (2)

„Man kann die Kinder ja mal fragen, aber es ist keine Selbstverständlichkeit, dass sie ja sagen“, so Kira Liebmann. Teenager dürfen nein sagen!

Alternative Betreuungsmöglichkeiten gibt zum Beispiel in Form von: Leih-Oma, Babysitter aus der Nachbarschaft oder eine Tagesmutter.

Auch dabei sollten Jugendliche mitentscheiden dürfen: Welche Lösung fühlt sich richtig für alle an? So bleibt das Miteinander intakt: „Im Zentrum steht immer die Beziehung unter den Familienmitgliedern.“, so Kira Liebmann. Das Nein des Teenagers ist kein Nein gegen die Eltern oder gegen das Geschwisterkind – es ist ein Ja zu den eigenen Bedürfnissen.

Wenn eine grundsätzliche Lösung gefunden ist, dann kann selbstverständlich im Notfall der Teenager (kurzfristig) aufgefordert werden, in der Betreuung auszuhelfen – eine dauerhafte Situation sollte das nicht sein.

„Wichtig ist, dem Kind die Erlaubnis zu geben, auch Nein zu sagen“, rät Kira Liebmann. Auf keinen Fall sollte man Druck ausüben nach dem Motto: „Wir haben so viel für dich getan, jetzt bist du mal dran.“ Das schadet nur dem Vertrauen.

Mit Wertschätzung die Motivation steigern

Viele Jugendliche helfen gerne, wenn man sie fragt – wichtig ist, dass man sie bei Entscheidungen einbindet und nicht über ihren Kopf bestimmt. Das Übernehmen von Verantwortung gehört in den Entwicklungsprozess zum Erwachsenen.

Wichtig ist, das Engagement wertzuschätzen und sich immer wieder zu bedanken. Der Teenager soll spüren: Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ich bin dir wirklich dankbar. Auch nach einem Nein sollte man freundlich bleiben.

Wenn Eltern ihre Wertschätzung zeigen, bleiben Teenager motiviert, trotz ihrer eigenen Interessen hin und wieder auszuhelfen. So kann eine Win-win-Situation entstehen.

Finanzielle Entlohnung: Pflicht oder Kür?

Manche Eltern bezahlen ihren Teenager wie einen externen Babysitter. Andere setzen auf die soziale Verantwortung innerhalb der Familie. Eine Pauschallösung gibt es nicht.

Wenn ältere Geschwister öfters in ihrer Freizeit einspringen, ist eine Entlohnung sinnvoll. Sie gibt ihnen Wertschätzung und macht klar: Das ist kein Standardjob, sondern eine Extra-Leistung. Die Bezahlung muss nicht hoch sein, aber der Leistung entsprechen. Häufig zählt für die Jugendlichen der symbolische Wert einer „Entlohnung“.

Grenzen wahren, um Rollenkonflikte zu vermeiden

Übernehmen Jugendliche zu viel Verantwortung, verschieben sich oft die Rollen. Aus Bruder oder Schwester wird eine Art Ersatzelternteil. Dies belastet die Beziehung. Die Kleinen sehen im Älteren eine Autoritätsperson, statt einen Spielkameraden. Umgekehrt fühlen sich Teenager schnell genervt von den „Anhängseln“.

Eltern sollten hier genau hinschauen: Werden Grenzen überschritten? Dann ist es Zeit, Aufgaben wieder an sich zu ziehen. Sonst leidet das Miteinander der Geschwister.

Kira Liebmann: „Die Hauptverantwortung liegt bei den Erwachsenen“.

Fazit: Gemeinsam Lösungen finden

Starre Regeln gibt es nicht. Jede Familie muss ihren eigenen Weg finden. Mit Einfühlungsvermögen, Dialog und Kompromissbereitschaft stehen die Chancen dafür gut.

Der Schlüssel liegt darin, die Perspektive des Gegenübers zu verstehen und seine Grenzen zu respektieren. Dann fällt es leichter, die richtige Balance aus Geben und Nehmen zu finden.

„In Kontakt bleiben ist das Allerwichtigste“, fasst Kira Liebmann zusammen. „Dann finden sich immer Lösungen.“

So lässt sich vermeiden, dass Familienmitglieder sich überfordert fühlen oder dass Rollen in der Familie sich verschieben. Gute Absprachen sind entscheidend. Ein ausgewogenes Verhältnis von Übernahme an Verantwortung und Freizeit-Interessen ist wichtig! Dann bleibt das Verhältnis unter den Familienmitgliedern intakt.

FAQ

Ab welchem Alter kann mein Kind gelegentlich auf Geschwister aufpassen?
Kinder können bereits ab einem Alter von etwa 12 Jahren für kurze Zeit auf jüngere Geschwister aufpassen, z.B. wenn man kurz zum Einkaufen geht. Wichtig dabei ist eine behutsame Heranführung, dass man zu Beginn in der Nähe bleibt und die Verantwortung nur langsam steigert.

Muss ich meinen Teenager für das Babysitten bezahlen?
Es gibt keine Pflicht, aber eine finanzielle Anerkennung ist durchaus sinnvoll. Sie zeigt Wertschätzung und macht deutlich, dass es eine Extra-Leistung ist. Die Höhe der Bezahlung ist dabei nicht so entscheidend.

Wie merke ich, ob mein Kind überfordert ist?
Zeichen können z.B. sein, wenn Ihr Kind sich öfter abends verabreden will, um dem Babysitten zu entgehen. Oder wenn es gereizt reagiert und sich viele Konflikte rund um das Thema entzünden. Dann ist es ratsam, die Verantwortung wieder stärker an sich zu ziehen.

Mein Teenager sagt „Nein“ und möchte nicht mehr auf Geschwister aufpassen. Muss ich das akzeptieren?
Ja, der Teenager hat das Recht „Nein“ zu sagen. Ein Geschwister-Teenager ist kein Ersatz für eine professionelle Betreuung des Kleinkindes. Die Rolle des Babysitters in der Familie ist nicht gut für das Verhältnis unter den Geschwistern und führt auf Dauer zu Konflikten. Niemand kann zu Babysitten-Einsätzen gezwungen werden. Suche alternative Lösungen, wie zum Beispiel Babysitter aus dem Bekanntenkreis oder eine Tagesmutter.

Wie bleibt die Beziehung zwischen meinen Kindern intakt?
Indem du die Wünsche aller ernst nehmen und keinen unter Druck erzeugst. Sorge dafür, dass dein Teenager noch genug Freiraum für die eigenen Interessen hat – und bring Wertschätzung für sein Engagement zum Ausdruck.

Ab wann kann ein Teenager fremde Kinder babysitten?
Für gelegentliches Babysitting bei Freunden und Bekannten ist mit 14 Jahren ein guter Einstieg. Bei regelmäßiger externer Kinderbetreuung sollten Jugendliche mindestens 16 Jahre alt sein.